Florian Vinzenz, 2006

Reisebericht

Florian Vinzenz, 2006Reiseteilnehmer

Pfr. Georg Varghese Thaniyath, Hannes Mathis, Silvia Mathis, Karl Lampert, Martina Huchler, Martina Steger, Erika Frick, Carmen Morscher, Judith Morscher, Florian Vinzenz

Ausgangssituation

Pfarrer Georg hat in seinem Heimatbundesland ein Projekt ins Leben gerufen, welches notbedürftigen Einwohnern ein Dach über dem Kopf ermöglicht. Über 1000 Häuser sind bereits eingeweiht worden. Jedes Jahr fährt Pfarrer Georg im Urlaub in sein Geburtsland zurück und weiht die gebauten Häuser ein. Zudem kann er sich so ein Bild machen, wie das Geld Verwendung findet. Auch hat er angefangen, interessierte Vorarlberger nach Kerala einzuladen, damit möglichst viele Personen einen Einblick in die Lebenssituation erhalten können. Für die drei Sulzer und mich, war eine spontane Entscheidung, diese Reise anzutreten, im Wissen, dass es kein Erholungsurlaub werden wird.

Mittwoch, 2. August

Gemeinsam fahren wir mit dem Taxidienst Green Cabs nach Zürich zum Flughafen. Die Tickets und das notwendigste im Koffer. Indien als Schwellenland bietet genügend Möglichkeiten, Kleidung und vieles weitere zu günstigen Preisen zu erwerben. Bis auf den Pfarrer und Martina Huchler ist es für uns das erste Mal, dass wir nach Indien reisen.

Wir fliegen um 15:45 Uhr pünktlich in Zürich ab, und sind inkl. 1 Stunde Zeitverschiebung um 00:00 Uhr in Dubai. Hier haben wir die Möglichkeit im Flughafen den Flair Arabiens zu genießen. Die Nacht über am Flughafen, ohne Bett. Für uns eine neue Erfahrung. In wenigen Stunden werden wir in einem Land sein, in dem Millionen von Menschen weder ein Bett, noch ein Dach über dem Kopf haben.

Donnerstag, 3. August

Wir landen gegen 10:00 Uhr am Flughafen in Cochin, zahllose Menschen. In der Landehalle scheint vieles gewohnt und standardisiert. Aber vor dem Flughafen sehen wir zum ersten Mal ein reales Bild von Kerala. Die Luft ist feucht vom verdunsteten Wasser des vorigen Regengusses. Hunderte Inder, jeweils die ganze Familie, holen Familienangehörige vom Flughafen ab. Der Verkehr scheint unkontrolliert. Alte Autos, alle hupend, fahren kreuz und quer am Flughafengelände. Pfeifende Polizisten versuchen den Verkehr zu regeln.

Die Brüder von Pfarrer Georg empfangen uns herzlich. Auch das Taxi, ein klimatisierter 12-Plätzer steht zum Beladen bereit. Ab geht die Fahrt auf der linken Straßenseite. Es scheint als habe hier jeder Straßenbenützer Vorrang. Der stärkere fährt zuerst: LKW vor Pkw, Pkw vor Motorrad, Motorrad vor Fußgänger. Die Strassen sind mit Schlaglöchern gespickt, dass es kaum möglich ist, schneller als 30 km/h zu fahren. Trotz des Eindrucks, in der Geschichte 30 Jahre zurück gereist zu sein, sind die Anzeichen eines wirtschaftlichen Aufbruchs zu sehen. Überall finden sich Plakatwände, welche Fortschritt und Luxus präsentieren. Auch Kühe sind vom Auto aus zu sehen.

Wir gelangen ins Hotel, welches von Georgs Brüdern bereits auf unsere Bedürfnisse geprüft wurde. Es ist nicht Standard, dass auf dem WC Toilettenpapier zu finden ist. Landesüblich wird die linke Hand und Wasser zum reinigen Verwendet. Bereits nach wenigen Worten ist uns klar, dass Englisch nicht gleich Englisch ist. Der Slang ist für uns kaum verständlich.

Auch im 3 Sterne „Grand Hotel“ zeigt sich, dass es an Menschen nicht mangelt. Türsteher, Kofferträger, 3 Rezeptionisten, Manager und weitere Bedienstete werden in den kommenden 10 Tagen auf unser Wohl bedacht sein.

Georg hat uns aufgeklärt, dass wir mit Wasser und der Essensauswahl besonders vorsichtig sein sollen. Alle Lebensmittel, welche im oder mit Wasser zubereitet werden, sollen von uns immunschwachen Europäern gemieden werden, damit unsere Verdauung nicht überreagiert. Die kommenden 10 Tage werden wir mit Georg, und seiner Familie die Stadt und Gegend erkunden, die Menschen kennen lernen, sowie einiges über das Projekt und die Lebensgewohnheiten in Indien erfahren.

Mittels Tagestouren, haben wir die Stadt besichtigt. Eine Bootstour durch die Backwaters gemacht sowie einen Tagesausflug zum größten Bootsrennen unternommen. Ein Volksfest mit Elefanten, einer Trommelgruppe und den Schlangenbooten sind ein unbeschreibliches Spektakel, welches wir miterleben. Die Ruderboote mit bis zu 100 Ruderern bieten traumhafte Motive für unsere Kameras. Am Samstag, 5. Aug besuchen wir einen Elefantenpark. Hier werden die Tempelelefanten das Jahr über gehalten und versorgt. Ein besonderes Erlebnis ist die Fütterung mit Reisballen. Als wir den Strand besuchen ist schnell klar, warum die Tourismusbüros im Werbeslogan Kerala als „Goods own Country – Gottes eigenes Land“ preisen. Am Sonntag erleben wir den ersten Gottesdienst. Volle Kirchen und laute Musik, viele Farben, viele Kinder. So wird Gottesdienst erlebbar.

Montag, 7. August: Wassertanks

An diesen beiden Tagen haben wir die Möglichkeit uns unters Volk zu mischen. Wir besichtigen die Wassertanks welche von der Stadt Hohenems gesponsert wurden. Durch 200.- Euro stehen so 5.000 Liter Trinkwasser mehrere Jahre zur Verfügung.  Wir besuchen Dörfer, welche zum Teil nur mit Booten, und über schmale Pfade erreichbar sind. Unter den zahllosen Palmen finden wir dann auch Hütten und einige Häuser. Die Bewohner empfangen uns herzlich und lächeln uns ins Gesicht. Auf den ersten Blick erkennen wir, dass diese Einwohner nur das notwendigste zum Leben haben und dennoch eine Freude ausstrahlen, wie sie von unsresgleichen nur selten erlebt werden kann.

Durch die Wassertanks haben diese Familien die Möglichkeit sauberes Trinkwasser auch während der Monsunzeit und der Trockenzeit zu haben. Ohne Wassertanks bleibt den Familien nichts anderes übrig, als ihren Kindern das verschmutzte Wasser anzubieten, oder mit Kanistern Kilometerweit entfernt in Menschenschlagen auf relativ sauberes Wasser zu warten. Das Wasser in den Tanks dient aber nicht nur der jeweiligen Familie. Manchmal steht der Familie kein geeignetes Dach zum sammeln zur Verfügung. Aus diesem Grund wird das Wasser beim Nachbarn gesammelt und in den Tank geleitet. Dort steht es dann beiden Familien zur Verfügung. Obwohl es den Bewohnern nicht als fließendes Wasser im Gebäude zur Verfügung steht ist es für diese Familien dennoch eine lebensnotwendige Erleichterung und Bereicherung.

Nebenbei wird uns bewusst, dass ein Großteil der Bevölkerung unter den Palmen in Holzhütten zuhause ist, welche sich zumindest 3 Monate im Jahr als feuchte und schlammige Unterkunft herausstellt. Aber auch die einfachen Steinhäuser verfügen nicht über unnötigen Luxus. Sanitäranlagen gibt es nicht, gekocht wird vor dem Haus. Geschlafen wird auf dem Boden. Das einzige was überall zu finden ist, sind Gottesbilder oder Motive von den zahlreichen Hinduistischen Göttern.

Um die Umstände zu erklären, soll erwähnt sein, dass 40% der Bevölkerung Arbeitslos sind. Nur ein kleiner Prozentsatz der Bevölkerung profitiert vom Wirtschaftswachstum. Somit ist es auch erklärbar, dass zurzeit eine Kommunistische Regierung das sagen hat. Diese zwei Tage haben uns gezeigt, welchen Luxus wir mit sauberem Trinkwasser haben.

Dienstag, 8. August

Shopping Tour durch Ernakulam, Besuch einer der größeren Kirchen und Ausflug an den Strand. Am Abend waren wir zum Geburtstag von Georgs Papa eingeladen. Wir wurden mit Fischspezialitäten und Gerichten freundlich empfangen.

Mittwoch, 9. und Donnerstag, 10. August: Hauseinweihungen

Ein Höhepunkt dieser Reise steht nun unmittelbar bevor. Wir fahren mit dem Kleinbus zu einem Landesteg und werden von einer improvisierten Fähre abgeholt. Auf der anderen Uferseite sehen wir die Dorfkirche und viele Dorfbewohner. Noch ist uns nicht bewusst, dass dieser Empfang für uns, für Pfarrer Georg ist. Die Dorfbevölkerung empfängt uns mit Trommel, Knallern und Jubelrufen. Sie empfangen Menschen aus einem anderen Kontinent, mit offenen Armen und ehrlicher Freude. Diese Menschen drücken ohne Worte aus, was die Spender gutes an ihnen tun. Über 1.000 Familien haben bereits ein Haus bezogen. Diese Familien haben die gespendeten Summen durch Leistungen vervielfacht. Die Familie, die Verwandten und Nachbarn haben zusammen geholfen, und ein Dach über dem Kopf gebaut.

Das bedrückende ist, dass das Elend trotz dieser Hilfsbereitschaft kein Ende haben wird. Nur den ärmsten der Armen kann geholfen werden. Diese Tatsache kann entmutigen. Aber im Fall von Georg zu einer Lebensaufgabe werden. In erster Linie ist Georg Seelsorger in Hohenems. In seiner Freizeit setzt er aber Kraft und Energie für die Einwohner in seinem Geburtsland ein. Dieser Einsatz zehrt an Gesundheit und auch an Anerkennung gegenüber manchen Personen, weil es seine endlose Berufung ist.

Uns wird bewusst, dass der Einsatz einer einzelnen Person über 1000 Familien und bereits über 100 Kindern eine Zukunft gegeben hat. Dies ist nur durch die Ehrenamtlichen in Indien und in Vorarlberg möglich. Jeder Euro, kommt zu 100% in Indien an und kann hier zu lebenswürdigeren Verhältnissen beitragen.

Mittwoch, 9. August: Waisenhaus

Die überwältigende Freundlichkeit der Einwohner sollte uns an diesem Abend noch viel deutlicher werden. Wir besuchen ein Kinderheim, welches von Pfarrer Georg unterstützt wird. Die Kinder haben für uns einen tollen Empfang sowie ein Programm einstudiert. Im Waisenhaus sind 75 Mädchen. Nur Mädchen haben das Problem, von ihren Eltern weggegeben zu werden, weil durch eine spätere Heirat die Mitgift zum Problem werden würde.
Am Vortag haben wir traditionelle Kleidung eingekauft. Die Bewohner waren begeistert. Die Kinder nahezu überwältigt. Den Kindern ist vollkommen klar, dass Sie ohne die Hilfe vom Ausland weder ein Heim noch eine Ausbildung erhalten würden. Es ist nicht möglich, allen zu helfen. Aber im Falle des Kinderheims kann man wirklich sagen: „Meine Spende lebt, und bekommt Alternativen“. Zumal sind es in späteren Jahren genau diese Mädchen, welche dann eine Familie ernähren, weil sie eine Ausbildung genießen durften. Mit jährlichen 3.500 Euro können diese 75 Kinder 1 Jahr lang verpflegt werden, und die Schulkosten getragen werden.

Donnerstag, 10. August: Besuch beim Bischof

An diesem Tag haben wir noch einige Häuser eingeweiht. Als ein Regenschauer aufzog, wurden wir im Haus vom Bürgermeister aufgenommen, und konnten uns trocknen. Am Abend waren wir dann beim Erzbischof eingeladen. Hier haben wir auch den einzig Deutschsprechenden Pfarrer getroffen. Er hat mehrere Jahre in Innsbruck studiert. Der Erzbischof selbst hat uns dann an die Tafel geladen und hat uns stellvertretend für alle Spender gedankt.

Freitag, 11. August: Wasserfälle

Im Nationalpark mit freilaufenden Affen haben wir einen gemütlichen Tag erlebt. Interessant ist, dass die Inder mitsamt der Kleidung ins Wasser gehen. Vor allem Frauen hüten sich, zuviel Haut zu zeigen. Am Samstag haben wir das bereits erwähnte Bootsrennen in Alleype besucht.

Sonntag, 13. August: Trip durch Südindien

An diesem Tag hat war der offizielle Teil unseres Urlaubs beendet. Die Reisegruppe löste sich in mehrere Gruppen auf. Hannes und Silvia fliegen nach Hohenems zurück. Die Martinas versuchen es auf eigene Faust. Pfarrer Georg wird Familien besuchen, welche einen Antrag auf ein Haus gestellt haben. Erika, Judith, Carmen, Karl und ich werden eine Tour durch Südindien starten. Begleitet werden wir vom eigens gemieteten Taxifahrer sowie von Georgs Bruder Antony.

Am nächsten Tag besuchten wir Teeplantagen in Munnar und den Sri Menakschi Tempel in Madurai. Am Abend übernahm Anisch Thomas, der Neffe von Georg die Reiseführung, und Antony fuhr nach Hause zurück. Am Dienstag besuchten wir den botanischen Garten in  und besichtigen den Palast eines  Maharadscha in Mysore. In dieser Nacht erlebten wir, wie es ist, wenn man ohne ausreichend Diesel irgendwo im Auto übernachten muss. Die schlechten Straßen haben uns einen Strich durch die Rechnung gemacht. So wurden 200 Kilometer zu einem richtigen Abenteuer im Dschungel (Wald) Indiens.

Nach wenigen Stunden Schlaf in Mangalore, kauften wir Zugtickets für die Rückfahrt von Goa nach Ernakulam und setzen die Fahrt nach Goa fort. Wir hatten das Glück, um 1:00 Uhr in Goa in ein Luxushotel einzuziehen, während Anisch und der Fahrer den weiten Rückweg antraten. Es sei erwähnt, dass sie 20 Stunden die 750 km Gesund bewältigt haben, und zu Hause angekommen sind.

Donnerstag, 17. bis Samstag, 19. August: Goa

Diese Tage waren unsere Urlaubstage. Neben einer Shoppintour in der Hauptstadt, gönnten wir uns eine Ganzkörpermassage, Pediküre und Maniküre, genossen Sparziergänge am Strand, schwimmen im Hotelpool und ich holte mir den einzigen und ersten Sonnenbrand in Indien.

Sonntag, 20. August: Kindermesse

Nach 17 Stunden Zugfahrt, kamen wir mit 2,5 Stunden Verspätung in Georgs Heimat an. Ein letztes Mal durften wir eine ganz normal volle Kirche ohne Sitzbänke  betreten. Da die Kinder in der Schule keinen Religionsunterricht haben, wird vor dem Gottesdienst ein Unterricht angeboten. Dies war auch der Tag an dem wir uns von Georgs Familie verabschiedet haben.

Montag, 21. August: Dubai

Auf anraten von Hannes und Silvia haben wir uns eine geführte Tour durch Dubai nicht entgehen lassen. Die Kontraste könnten größer nicht sein. Überfließender Reichtum und erdrückende Armut. Alte verwitterte Bauten und glänzende Wolkenkratzer. Autos älter als 30 Jahre und nur neue, schwere Autos. Irgendwie wird jedem schnell klar, dass diese Welt schon lange das Gleichgewicht verloren hat. Die Frage ist nur, sind wir so reich, weil wir so fleißig sind, oder sind wir so reich, weil wir es geschafft haben, die anderen ärmer zu machen?

Heimkehr

Zurück in der Heimat kann ich nur sagen, dass wir es mit unserer Heimat gut getroffen haben. Wir leben in einem selbstverständlichen Überfluss, und beklagen uns manchmal, wie schlecht es uns geht, und was wir alles zu finanzieren haben. Wäre es uns lieber, wir hätten nichts? Ich danke allen, welche mir diese Erfahrungen ermöglicht haben. Ich sehe vieles mit anderen Augen, im Wissen nicht alles verändern zu können aber möglichst das Richtige zu tun. „Hoffnung ist nicht das Wissen, alles zu erreichen. Hoffnung ist die Überzeugung, das richtige zu tun!“