Hannes Mathis, 2006
Reisebericht
Schon bei der Ankunft am Flughafen in Kochi wurde unserer Reisegruppe vor Augen geführt, dass vieles, sehr vieles in diesem Land grundsätzlich anders sein würde, als wir Europäer es uns gewohnt sind. Beim Verlassen des Flughafens mussten wir uns den Weg durch eine riesige Menschenmenge bahnen – Menschen, ganze Großfamilien, die auf einen Familienangehörigen warteten. Ja, so schaut Familienzusammenhalt in Indien aus.
Schon am nächsten Tag stand die Kontrolle der ordnungsgemäßen Herstellung der von der Stadt Hohenems gespendeten Wassertanks auf dem Programm. Und hierbei wurden dann unsere Vorstellungen, die wir aus Fotos und Berichten von Pfarrer Georg gewonnen hatten, völlig auf den Kopf gestellt:
Wer – so wie ich – geglaubt hatte, die Menschen würden auf Feldern leben, der hatte sich wahrlich getäuscht. Die einzelnen Hütten und Verschläge, in denen ganze Großfamilien hausten, befanden sich in bewaldeten Gebieten nahe der Küste. Zwischen all den Bäumen haben die Menschen dennoch Platz gefunden, ihre Unterkünfte zu erstellen. Als Sichtschutz zum Nachbarn dient eine Plastikplane. Kurzum: die Dörfer machten einen sehr verarmten Eindruck auf mich, zu vergleichen mit Bildern aus den Slumvierteln von Großstädten. Was es für die Menschen bedeutet, Hilfe im Kampf ums Überleben zu erhalten, beweist am ehesten, mit welcher Freude wir von der jeweiligen Familie empfangen wurden, die noch dazu für diesen „Festakt“ ihre schönsten Kleider angezogen hatten. Dass die Menschen auf Grund unseres dicht gedrängten Zeitplanes nur kurz die Möglichkeit hatten, ihre Freude und Gastfreundschaft zu zeigen, machte doch ein wenig betrüblich.
Was sich schon bei der Übergabe der Wassertanks gezeigt hatte, wurde bei der Einweihung der gespendeten Häuser noch verstärkt: die dankbaren Minen der zukünftigen Bewohner. Auch wenn unsereins die gesagte Dankbarkeit auf Grund der Unkenntnis der einheimischen Sprache nicht verstanden hat – die Ausdrücke in den Gesichtern der Menschen haben alles gesagt. Und auch hier wurde uns die enorme Gastfreundschaft zu teil: obwohl die Menschen eigentlich nichts haben, würden sie alles hergeben. Und so kam es, dass wir nach jeder Hauseinweihung mit einer Kokosnuss beschenkt wurden.
Was besonders erstaunlich war, ist die Tatsache, dass die neuen Hauseigentümer bis zur Einweihung ihres neuen Heimes weiterhin Schutz in ihrem Verschlag suchten und somit die Häuser bei unserer Ankunft noch vollkommen jungfräulich waren.
Ein weiterer Höhepunkt auf der Reise in eine andere Kultur war sicherlich der Besuch eines mit Spendengeldern unterstützten Waisenhauses. Leuchtende Kinderaugen, wohin man schaute. Durch diese Institution wird den Kindern die Chance auf ein besseres Leben gegeben und es hatte fast den Eindruck, als würden die Kinder dies wissen und uns hierfür ihre Dankbarkeit entgegenbringen.
Was wir auf dieser Reise erlebt haben, lässt sich nur schwer in Worte fassen. Geld für ein Hilfsprojekt zu spenden, ist das Eine. Aber wenn man sieht, was mit dem gespendeten Geld vor Ort passiert – und vor allem, wie dankbar die Menschen auf die geleistete Hilfe reagieren, dann sind dies Bilder, die nicht so schnell aus dem Gedächtnis verdrängt werden. Des Weiteren wird erkennbar, dass auch mit relativ kleinen Beträgen Hilfe und Unterstützung in die Welt gebracht werden kann.